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Das Nibelungenlied Gut Und Böse - Held Oder Feind

Autor:   •  February 8, 2018  •  4,385 Words (18 Pages)  •  632 Views

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Schwierigkeiten bei der Interpretation mittelalterlicher Texte

Der Grossteil der überlieferten Heldendichtung ist im Spannungsfeld zwischen christlichem Schreiber und heidnischem Stoff entstanden. Die Texte sind damit weder rein

christlich, noch heidnisch sonder eine Mischung beider Weltanschauungen. [6] Ebenfalls wichtig im Umgang mit mittelalterlicher Literatur ist die mündliche Tradition und den historischen Kontext miteinzubeziehen. Die Edda besteht aus vielen Liedern, die über viele Jahrzehnte hinweg mündlich überliefert und auch alterniert wurden. Je nach Überlieferer wurden einige Stellen etwas mehr, andere weniger ausgeschmückt und betont. Ebenfalls entscheidend ist die Tatsache, dass die Geschichten den meisten Zuhörern bereits bekannt waren. Dazu ein Zitat von Hans Kuhn:

„Die bewahrten Heldenlieder, auch die ältesten, pflegen nicht den gesamten Stoff ihrer Sagen auszubreiten. Sie setzen viel von ihm als bekannt voraus.“[7]

Der Leser der Neuzeit muss sich dieses Wissen erst aneignen. Dass die meisten der Lieder auch unter christlichem Einfluss modifiziert und „verchristlicht“ wurden darf auch nicht in Vergessenheit geraten.

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Held und Gegner

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Heldenfigur und Feindbild des Mittelalters

Ein durchwegs böser Gegner trifft auf einen strahlenden Helden; Böse verliert gegen Gut. Diese neuzeitliche Vorstellung des mittelalterlichen Helden und die scharfe Trennung zwischen Gut und Böse, trifft nicht auf die uns überlieferte Heldendichtung zu. Der Grund für die Einteilung der Figuren in Gut und Böse ist Teil des modernen Verständnisses von Moral und Gerechtigkeit. Die Schwierigkeit besteht darin den mittelalterlichen Text möglichst nicht mir Projektionen des modernen Lesers zu füllen. Die moderne Leseart stimmt meist nicht mit der mittelalterlichen Schreibart überein und die Aussage der mittelalterlichen Dichtung wird verzerrt. Der Held der Heldendichtung verfügt über ein „starkes Bewusstsein seiner eigenen Werte“[8] er ist weniger ein Vorbild, als vielmehr eine Art Rebell. Das mittelalterliche Verständnis eines Helden ist nicht abhängig davon, ob die gesellschaftlichen Regeln vom Helden eingehalten werden. Vielmehr ist das Bild des Helden davon bestimmt, wie oft er sich über diese Regeln hinwegsetzt. Die Regelbrüche werden als bewundernswert dargestellt. Daher lässt sich

das heutige Konzept von Gut und Böse nicht auf die Heldendichtung übertragen. Die Texte schreiben den Helden Ruhmsucht, Machtgier, Verrat, Mord und Hinterlist zu. Die Kontrahenten dieser Helden können diese Taten kaum steigern damit sie als böser klassifiziert werden können. Für den Rezipienten des Mittelalters ist eine Vernichtung des Feindes und die Wiederherstellung der Ordnung nicht notwendig. Damit wird auch

eine Dämonisierung des Gegners unnötig. Die Einteilung in Gegner und Held ist abhängig von den Wertesystemen des Erzählers und des Lesers. Die fixe neuzeitliche Vorstellung, jeder Gegner müsse böse sein, muss für diese Arbeit abgelegt und objektiviert werden. Für jede Figur ist das Gegenüber im Kampf ein Gegner, unabhängig von dessen biografischem Hintergrund. Wen der Leser als Gegner einstuft, hängt von erzähltechnischen Faktoren seitens des Erzählers, von subjektiven, gesellschaftlichen und von historisch bedingten Faktoren ab.

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Der Held

Was definiert den Helden der eddischen Heldendichtung? Falls Held und Gegner als zwei getrennte Figuren betrachtet werden können so braucht der Held eigenständige, vom Gegner differierende Kriterien, die ihn zum Helden machen. Die Schwierigkeit ist, dass den Helden oft mehr mit seinem Gegner verbindet, als trennt. Der Held verkörpert Macht, Stolz und ein starkes Bewusstsein. Literarisch gesehen ist der Held von seinem Gegner abhängig, ohne Gegner kein Held, das Gute definiert sich über das Böse beziehungsweise; was nicht böse ist, muss gut sein. Womit wir wieder bei einem neuzeitlichen Modell von Gut und Böse wären. Wie lässt sich jedoch der Held der heidnischen Welt definieren? Ist er

„[...] gar nicht einmal ein Vorbild allgemein verbindlicher Tugenden, sondern eher das Gegenteil davon: ein Protest gegen das vom Kollektiv gebotene Mittelmass, eine Figur, deren Faszination gerade darin liegt, dass sie das Exorbitante, das Regelwidrige tut.“[9]

Ist der Held schlicht ein Rebell? Der Held wird als bewundernswert dargestellt, sei es wegen seines Mutes oder seiner Stärke sich durchzusetzen. Obwohl die Helden innerhalb der Texte und Lieder oft durch Ruhmsucht, Gold- und Machtgier, Verrat, Mord,

Hinterlist und Totschlag gekennzeichnet sind. Wichtiger als die tatsächlichen Handlungen sind die Motivationen die hinter diesen Handlungen stecken. Der Held definiert sich auch über seine Beweggründe eine Handlung als gerechtfertigt anzusehen. Mord ist nicht gleich Mord wenn die Hintergründe andere sind.

"[…] Held-Sein heisst sich selbst behaupten, unter dem unausweichlichen Gebot der Ehre, die keinen Unterschied zwischen Innen und Aussen kennt. […] Doch ist damit auch die Tendenz zur tragischen Situation gegeben, da diese Existenz

fast unausweichlich zum Zusammenstoss mit den andern ebenso expansiven Existenzen führt." [10]

Gegner und Held sind nicht wie in der modernen Literatur häufig der Fall, in ihrer Rolle gefangen. Beide handeln aufgrund von persönlichen oder familiären Motivationen und beide empfinden ihr Handeln als gerechtfertigt, sofern sie nicht von einer dritten Person zu ihrem Handeln angestiftet worden sind. Auch sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist der Kampf zwischen Held und Gegner. Der Feind im Kampf wird nicht als böser, moralisch verwerflicher Mensch angesehen, im Gegenteil. Der Feind im Kampf der Heldendichtung ist ein respektierter, ehrenhafter Gegner, der es Wert ist gemeinsam mit ihm in den Kampf zu treten. Die Gegner haben meist die gleichen Qualitäten wie die Helden und eine Einteilung in Held und Bösewicht trifft in der Heldendichtung nicht zu. Fassen wir also nochmal zusammen. Der Held der eddischen Heldendichtung ist mächtig und mutig genug sich allgemeingültigen Regeln zu widersetzen und im Kampf seinem Gegner würdevoll und respektvoll entgegenzutreten. Die Charakterisierung des Helden und des Gegners wird vor allem über die Darstellung ihrer Taten und Motivationen erreicht. Was den Helden (wie auch den Gegner) noch definiert, ist der

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